In dem 2015 gegründeten Jüdischen Zentrum in der Ludwig-Mond-Straße 127 in Kassel gibt es eine Dauerausstellung über die Geschichte der Juden in Kassel und Räumlichkeiten für Veranstaltungen und Wechselausstellungen.
Nachdem der Ethikkurs nach einigen Orientierungsschwierigkeiten endlich am Sara-Nussbaum-Zentrum eingetroffen war, wurden wir von Elena Padva, der Leiterin des Zentrums, begrüßt und in die Ausstellung geführt.

Die Einführung fand in einem gemütlichen „Wohnzimmer“ einer bürgerlichen jüdischen Familie statt. Später wurde dort ein Film über Ludwig Mond gezeigt.

In dem benachbarten Raum setzten wir uns auf Stuhlreihen und lauschten einem interessanten Vortrag von Frau Padva vor einigen großen Schautafeln, die die Geschichte des Judentums in Kassel von seinen Anfängen im frühen Mittelalter bis heute darstellen.

Schon im Mittelalter wurden Juden durch obligatorische äußerliche Merkmale stigmatisiert: Sie mussten spitze Hüte tragen. Auch durften sie nur in zugewiesenen Arealen wohnen, in Kassel war das der heutige Königsplatz, damals noch am Rande der Stadt, an dem es bis 1630 auch einen großen jüdischen Friedhof gab.

Ein Unterschied zwischen christlichen und jüdischen Friedhöfen ist, dass Juden, im Gegensatz zu Christen, auf den Friedhöfen liegen bleiben. Juden glauben daran, dass sie wieder auferstehen, wenn der Messias kommt. Deshalb war das Verbrennen der jüdischen Leichen in den Öfen der Konzentrationslager wie ein zweiter Mord.

In unmittelbarer Nähe einer Synagoge befand sich immer eine Mikwe. Eine Mikwe ist eine unterirdische Badeanlage. Die Juden reinigten sich dort vor dem Synagogenbesuch. Noch heute werden sie von einigen Frauen nach ihrer Regel benutzt.

Die dadurch bei Juden im Mittelalter wesentlich verbreitetere Körperhygiene trug dazu bei, dass sie von Pestepidemien nicht so betroffen waren wie die restliche Bevölkerung. Dies erzeugte Neid und Argwohn – und die Unterstellung der „Brunnenvergiftung“.

Ab dem 19. Jahrhundert wurden Juden genötigt, sich Nachnamen zu kaufen, da sie bis dahin den Nachnamen „ben“ oder „bat“ (Sohn oder Tochter von …) in Verbindung mit dem Namen des Vaters trugen. Eher teuer war „Rosental“, „Katzelnbogen“ hingegen billig.
Die jüdische Gemeinde vor dem Zweiten Weltkrieg (1,8% Anteil der Bevölkerung) war liberal. Die Synagoge in der Unteren Königstraße wurde in der Pogromnacht, die in Kassel bereits zwei Tage früher (!) als im übrigen Deutschland, nämlich am 7. November 1938, stattfand, in Brand gesteckt. Anschließend wurde sie abgerissen.
Im Jahr 1965 wurde eine neue Synagoge in der Bremer Straße (in Nachbarschaft der alten Synagoge) eingeweiht, die im Jahr 2000 durch eine größere, moderne Synagoge ersetzt wurde. Vor 20 Jahren wurde vor der Tür der Synagoge anonym eine Plastiktüte abgelegt. Zur großen Freude der jüdischen Gemeinde enthielt sie die alte originale Tora-Rolle, die jemand aus der alten Synagoge gerettet hatte.

Frau Padva stellte uns dann anhand von Schautafeln an der gegenüberliegenden Wand einige jüdische Persönlichkeiten aus Kassel vor: Ludwig Mond und Sara Nussbaum.

Das KZ Theresienstadt war kein Vernichtungslager, sondern das „Vorzeigelager“ der Nazis. Wie „gut“ es den Juden dort ging, sollte der internationalen Öffentlichkeit auch durch kulturelle Aktivitäten demonstriert werden. Während der Lagerzeit wurde die Kinderoper „Brundibár“ wöchentlich aufgeführt. Allerdings mussten immer neue Kinder die Oper einstudieren, da die älteren nach Auschwitz abtransportiert wurden.

Tipp: Erstmals seit dem Krieg wird die Oper „Brundibár“ in diesem Jahr auch im Kasseler Staatstheater zu sehen sein! Die Premiere findet am 17. Juni 2017 statt.

Eine neue jüdische (orthodoxe) Gemeinde in Kassel erhielt großen Zulauf seit Beginn der neunziger Jahre durch den Zuzug von russischen Juden auf Einladung der Bundesregierung (nach Zusammenbruch der Sowjetunion). Unter ihnen war auch die 16-jähige Elena Padva, die nur einen deutschen Satz beherrschte: „Wo kann man hier Wasserski leihen?“

Nach dem Vortrag wechselten wir den Raum, wo wir uns auf Kissen im Kreis auf den Boden setzten.

Frau Padva hatte schon in der Mitte auf einem Tuch lauter Gegenstände drapiert, die Bedeutung für das Judentum haben. Die Schülerinnen und Schüler waren aufgefordert, die Gegenstände zu benennen und Fragen dazu zu stellen. Es gab u.a. Matzen (ungesäuertes Brot zum Passafest), einen siebenarmigen Leuchter (Menora), eine Kippa (Kopfbedeckung für Männer), Pergamentstreifen (Material der Torarolle), einen Kinderspielwürfel, einen Gebetsschal und vieles mehr. Frau Padva betonte zum Abschluss nochmals die Bereitschaft des Sara-Nussbaum-Zentrums, für Dialog und Informationen für Schülerinnen und Schüler jederzeit zur Verfügung zu stehen. Auch Projekte und Projekttage könnten mit Hilfe des Zentrums ausgerichtet werden, und bei Recherchen für Referate o.ä. gibt es Unterstützung.

Eine Sache, die ich inspirierend fand, war ein Gebot im Judentum, die „Mitzwa“. Sie bezeichnet eine einzelne Pflicht. Jeder Jude muss oder sollte in seinem Leben mindestens eine Mitzwa vollbracht haben, also eine gute Tat. Ich finde den Gedanken gut, dass man eine gute Tat vollbringen sollte, jedoch ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Beim Schreiben ist mir die Frage gekommen, ob es im Christentum auch eine Art Mitzwa gibt, und wenn nicht, warum nicht?

von Ute Rosenhahn-Ohlmeier und Lea Hopf

in Kassel war das der heutige Königsplatz, damals noch am Rande der Stadt, an dem es bis 1630 auch einen großen jüdischen Friedhof gab.

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