inspirierender Vortrag von Kafka-Biograf Dr. Reiner Stach in der Herderschule
Einblick in das Leben des Dichters Franz Kafkas erhielten Herderschülerinnen und -schüler durch den Literaturwissenschaftler und Kafka-Biografen Dr. Reiner Stach aus Berlin, der dafür extra von Berlin nach Kassel reiste. Mehr als 200 Schüler und Schülerinnen des Abiturjahrgangs der Herderschule ließen sich von seiner Begeisterung für Kafka inspirieren.
Die Herderschülerin Katharina Spies (Q3 / Jahrgang 13) berichtet im Folgenden über die Veranstaltung:
Einblick in Kafkas Leben – Vortrag von Dr. Reiner Stach in der Herderschule
„Der bekannte deutsche Literaturwissenschaftler und Kafka-Biograf Reiner Stach nahm den Weg von Berlin nach Kassel auf sich, um der versammelten Jahrgangsstufe der 13 (Q3) der Herderschule einen Einblick in Kafkas Leben und seine Werke zu geben.
„Du bist die Aufgabe. Kein Schüler weit und breit“, las der Kafka-Kenner den angehenden Abiturientinnen und Abiturienten vor, während der Aphorismus in Kafkas Handschrift hinter ihn projiziert wurde. Aphorismen waren eines der verschiedenen Themen, die Herr Stach ansprach, denn Kafka schrieb nicht nur seine bekanntesten Werke, wie „Die Verwandlung“ oder „Das Urteil“, sondern auch zahlreiche Aphorismen und Kurzprosa-Texte.
Vielen Schülern gefiel vor allem die Folie mit dem Bild von Herrn Stachs eigenem Bücherregal, denn daran zeigte er, wie viele Werke es tatsächlich von Kafka gibt, obwohl der früh verstorbene Autor sich eigentlich von seinem Freund Max Brod gewünscht hatte, dass dieser die meisten seiner Werke verbrennt, wie Reiner Stach an einem handschriftlichen Brief Kafkas an Max Brod deutlich machte.
Während der Präsentation erwähnte der Literaturwissenschaftler einige Male Kafkas unvollendetes Werk „Das Schloss“, welches Herr Stach auch als eines seiner Lieblingswerke Kafkas benannte. Zwar kannten dieses Werk nur wenige Schüler, da im Unterricht nur das für das Abitur relevante Werk „Die Verwandlung“ und gegebenenfalls als Ergänzung „Der Brief an den Vater“ gelesen wird, aber dadurch, dass es eben nicht nur die bekanntesten Werke waren, die genannt wurden, bekam man einen besseren Überblick. Zurecht wies Herr Stach darauf hin, dass oft vor allem die Fragmente unbekannt bleiben.
Viele Schülerinnen und Schüler hatten erwartet, mehr von Kafkas Vater-Sohn-Beziehung zu hören, die erst bei den Rückfragen stärker thematisiert wurde. Aber natürlich kann man in den eineinhalb Stunden nicht das komplette Leben Kafkas und seine Werke abhandeln – eine Thematik, die insgesamt über zweitausend Seiten füllt.
Außerdem ist die Vater-Sohn-Beziehung zwar ein wichtiger Aspekt in Kafkas Leben, jedoch wird er oft nur darauf reduziert, was ihm wahrlich nicht gerecht wird. Vielleicht ist es gerade deswegen besser, diesem Themenpunkt, trotz seiner nicht abstreitbaren Wichtigkeit, nicht zu viel Raum zu geben, da Herr Stachs Schwerpunkt nicht nur seine Biografie war.
Man merkte während der Präsentation schnell, wie fasziniert Herr Stach selbst von Kafka ist, und auf die Rückfrage hin, ob er Kafka als Genie sehe, antwortete er selbstverständlich ohne langes Überlegen mit einem „Ja“.
Allgemein war es faszinierend, wie ausgiebig sich Reiner Stach mit Kafka beschäftigt hat und immer noch beschäftigt. Der zuerst veröffentlichte Band seiner Biografie „Kafka. Die Jahre der Entscheidungen“ erschien 2002, danach folgte 2008 „Kafka. Die Jahre der Erkenntnis“ und schließlich wurde die dreibändige Biografie 2014 mit dem Band „Kafka. Die frühen Jahre“ beendet. Herr Stachs Arbeit an der gesamten Biografie Kafkas umfasst achtzehn Jahre, aber das heißt durchaus nicht, dass Reiner Stach seine Beschäftigung mit Kafka danach eingestellt hat, sondern er gibt sein Wissen durch zahlreiche Veranstaltungen, wie die an der Herderschule, weiter und schreibt noch dazu ein Drehbuch, denn Kafkas Leben soll demnächst sogar als Kurz-Serie verfilmt werden.
Der Vortrag von Reiner Stach bot einen umfassenden Einblick in die vielen Facetten Kafkas. Natürlich profitieren alle Schülerinnen und Schüler unterschiedlich von dem Vortrag, da beispielsweise manche Kurse bereits Kafka abgeschlossen hatten und somit ihr Wissen über ihn ergänzen konnten, wohingegen andere Kurse erst am Anfang der Unterrichtseinheit standen und dadurch viele Informationen auf einmal bekamen, was aber durchaus nicht schlecht ist, wenn man bereits vor der unterrichtlichen Auseinandersetzung vorinformiert ist.
Reiner Stach erwies sich als ein durchweg sympathischer Redner, der sein Thema zu vermitteln versteht. Seine Faszination mit Blick auf Kafka war auf jeden Fall für viele ansteckend.“
von Katharina Spies